18.09.2011
VEGANBRUNCH #3
12uhr!
°So. 18.09.2011 SISSI/Chinesische Wäscherei/Lesung:ANDRÉ PILZ
ANDRÉ PILZ
liest MAN DOWN [haymon verlag]
Wenn man fällt, fällt man tief. Und hart. Zahllose gebrochene Rippen
bohren sich einem in die Lunge, vor Schmerz kann man weder Beine noch
Arme bewegen und im Mund breitet er sich aus, der schwere Geschmack von
Eisen.
Kai Samweber,
Protagonist in André Pilz’ neuem Roman „Man down“, ist gefallen, bei
seiner Arbeit als Dachdecker. Und er fällt seitdem. Durch den Unfall
kann er nicht mehr arbeiten, und weil sein ehemaliger Arbeitgeber ihm
den ausstehenden Lohn nicht zahlt, muss er sich bei Öcal und Ugi, den
Brüdern seines besten Freundes Shane, Geld leihen – dass er zurückzahlt,
indem er Gras aus der Schweiz nach Deutschland schmuggelt.
Sein übriges Leben ist nicht viel rosiger: Er liegt auf einer versifften
Matratze in seiner abgefuckten Wohnung und hört den Nazis von nebenan
beim Feiern zu, er trinkt Wodka aus der Flasche und raucht einen Joint
nach dem anderen. Dann jedoch lernt er Marion kennen, die in demselben
Studentenwohnheim wohnt wie Rugby, der Abnehmer des Grases. Es stört sie
nicht, dass seine Klamotten alt sind und mottenzerfressen, sie stört
sich nicht an seinem hinkenden Gang. Sie sind glücklich, inmitten all
des Unglücks. Aber Kai fällt. Oder besser: Er stürzt. Und das kann
Marion nicht aufhalten. Denn auch sie hat Probleme und Geheimnisse, die –
zusammen mit Kais Schwierigkeiten – in sich die Gefahr der
Beziehungsimplosion bergen.
André Pilz erzählt „Man down “ in
einem „Guy Ritchie trifft Quentin Tarantino“-Ton: Gewalt ist
gewalttätig, Sex ist rau und manchmal dreckig. Wenn Kai
zusammengeschlagen wird, schmeckt nicht nur er, sondern auch der Leser
das Blut in seinem Mund. Wenn Marion und Kai miteinander schlafen,
riecht man den Geruch von Schweiß. Und so groß die Hoffnung auch ist,
dass am Ende dieses rasanten gesellschaftskritischen Horrortrips alles
gut wird: Die Hoffnung wird mit jedem selbstreflexiven Monolog Kais
etwas vermindert. Am Ende ist es so, wie Kai in seinen Monologen immer
wieder betont: Die da oben kümmern sich um die ganz unten nicht. Und so
bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als seine Frustration in einer
radikalen Reaktion kulminieren zu lassen. Wenn man fällt, fällt man
tief. Und hart. Sein Protagonist mag verloren sein, André Pilz selbst
jedoch hat eine Punktlandung geschafft.
Von Martin Spieß